Einer der wichtigsten deutschen Schriftdesigner der letzten Jahrzehnte ist Herrmann Zapf. Er war auch Kalligraf, der unter anderem die Schriften Aldus, Optima, Zapfino und Fleuronette entwarf, die in der Linotype Library zu finden sind. Für diesen Blogbeitrag hat der Autor Joachim Klarner von den Wortkünstlern Mittelfranken einen Gastbeitrag über sein typografisches Schaffen geschrieben hat. Lest aber selbst, was ihn begeistert:
Wir benutzen Schriften, ohne uns darüber Gedanken zu machen, was das Besondere daran ist. Manche Typen gefallen uns spontan, andere wiederum finden wir weniger gelungen. Für die Schriftgestaltung ist jedoch maßgeblich, wie gut wir Texte lesen können. Unsere abendländischen Alphabete sind römischen Ursprungs. Die Römer benutzten die Kapitalis, eine Großbuchstabenschrift. Sie ist auch bekannt als Lapidarschrift, weil sie in Stein gemeißelt wurde. Für die damaligen Schreiber waren solche Schriften unpraktisch, deshalb förderte Karl der Große, die nach ihm benannten karolingischen Minuskeln. Im deutschen Sprachraum setzte sich die Großschreibung nicht nur des Satzanfangs, sondern auch bestimmter Wörter (Substantive) durch.
Mit der Erfindung Gutenbergs, des Drucks mit beweglichen Lettern, beschleunigte sich die Buchherstellung in ungeahntem Maß. Mit der Ablösung des zeitintensiven Handsatzes (Monotype) zu dem maschinellen Satz (Linotype) gelang ein weiterer Technologiesprung. Damit wuchs zugleich der Bedarf an Schriftgestaltern und Schriftkünstlern enorm.
Mein Interesse an Schrift und Schriftgestaltung geht auf ein Schlüsselerlebnis in meiner Schulzeit zurück. Im Fach Technisches Zeichnen mussten wir die Beschriftung der Zeichnung ohne Schriftschablone mit Maßhilfslinien selbst übernehmen. Daher rührt mein Verständnis für den mühsamen und langwierigen Prozess eine neue Schrift zu gestalten.
Der Anlass für meinen Besuch in Wolfenbüttel war wenig spektakulär. Es ergab sich einfach. Allerdings haben mich Bibliotheken bereits länger fasziniert, weil in früheren Jahren Bücher und Gebäude als Einheit geplant und gebaut wurden. Einen prachtvoll ausgestatteten Bibliothekssaal zu finden, das waren meine Gedanken von Wolfenbüttel. Zu meiner Überraschung entdeckte ich die Sammlung Zapf.
Hermann Zapf (1918 – 2015)
Was hat das alles mit Hermann Zapf zu tun? Es war ihm nicht in die Wiege gelegt, dass einmal eine Bibliothek seinen Nachlass archivieren und präsentieren würde. Allein seine Biographie liest sich fast wie ein Abenteuerroman. Der am 18. November 1918 in Nürnberg geborene Zapf durfte seinen gewünschten Beruf nicht erlernen. Stattdessen begann er eine Ausbildung als Retuscheur. Jedoch gab es immer wieder in seinem Leben Mentoren, die sein Talent förderten und in eine andere Richtung lenkten. Sogar zwei Weltkriege erlebte und überlebte er. Dass er viele Jahre als freischaffender Künstler tätig war, sei nur am Rande erwähnt.
Mit der Sammlung Hermann Zapf in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel zeigt die Typensammlung einer der bedeutendsten Buchgestalter und Typografen des 20. Jahrhunderts. Der Schriftkünstler gestaltete mehr als zweihundert Schriften (nach anderen Quellen 800). Darunter finden sich Lettern nicht nur aus dem abendländischen Raum, sondern er entwarf auch arabische und griechische Druckschriften. Weiterhin arbeitete er an dem Alphabet Pan-Nigerian zur Vereinheitlichung der 400 Sprachen und Dialekte umfassenden Schrift in Nigeria. Die Sequoyah-Schriftzeichen der Cherokee überarbeite er für die University of Wisconsin in Madison.
In vielen Dingen war er seiner Zeit voraus. Er erkannte bereits sehr früh, welche Möglichkeiten die computergestützte Typografie bot, die er auch zu nutzen wusste. Das trug ihm den ersten Lehrstuhl am Rochester Institute of Technology für zehn Jahre ein.
Wer sich auf einen Besuch in Wolfenbüttel einlässt, wird überrascht sein, dass Typografie nicht langweilig sein muss. Das erste Beispiel (eines von 143 Abbildungen) zeigt das Blatt einer Iris als Pinselzeichnung, die an Arbeiten von Maria Sybilla Merian erinnert.
Ein weiter Weg führt zu seiner Interpretation der „Preamble of the Charter of the United Nations“ [in vier Sprachen]. Das Original befindet sich in der Pierpont Morgan Library in New York.
Ein wenig kurios mutet ein Zahlenquadrat an, mit der Hervorhebung der Null. Der dazugehörige Text von Leonardo von Pisa, beschreibt die Null als eine Erfindung der Inder. (In der Tat, ohne Null würde ein Computer nicht funktionieren.)
Außergewöhnlich ist für mich die Titelseite für den zweiten Band von Hermann Zapfs „Manuale Typographicum“ mit der Schrift Optima Antiqua.
Buchstaben als grafisches Element der Umschlaggestaltung muten ein wenig ungewöhnlich an. Seine Titelgrafiken empfinde ich als ästhetisch gelungen. Als Bespiele für die Buchgestaltung dienen einige Umschläge der Klassikerausgaben für den Fischer Verlag, Suhrkamp Verlag und dem Verlag Hermann Emig:
- Der Goldene Schnitt, Große Essayisten der Neuen Rundschau 1890 – 1960. S. Fischer Verlag
- Carl Zuckmayer: Gedichte. S. Fischer Verlag
- Vergil: Aeneis. Fischer Bücherei [vermutlich]
- Klassische Stücke von Shaw. Suhrkamp Verlag
- Ein Buchtitel aus Franken von Carlheinz Gräter: Das Taubertal, eine romantische Landschaft. Aus dem Verlag Hermann Emig, Amorbach im Odenwald.
Auch das Verlagssignet für den Carl Hanser Verlag geht auf seinen Entwurf zurück.
Bücher haben ihr Schicksal, heißt es. Vielleicht entdeckt jemand antiquarisch ein von Hermann Zapf gestaltetes Buch.
Meine Buchempfehlung zu dem Thema:
Hermann Zapf: Über Alphabete (Deutsch und Englisch), Frankfurt am Main 1960.
Hermann Zapf: Typographische Variationen, Frankfurt am Main. 1963.
Hermann Zapf [Hrsg.]: Manuale Typographicum, Frankfurt am Main, New York 1968.
Hermann Zapf & his design philosophy. Ed. Society of Typographic Arts, Chicago c 1987.
Sammlung Hermann Zapf. [Ausstellungkatalog] Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel.1993.