Werbung wird in der Buchbranche anders gemacht! (Teil 2)

 

Beunruhigend ist seit einiger Zeit die folgende Veränderung im stationären Buchgeschäft: Buchhändler stemmen ihr Tagesgeschäft vermehrt mit weniger Mitarbeitern. Umsätze gehen zurück, da der notwendige intensive Service auf der Strecke bleibt, denn weniger Personal muss sich um einen größeren Kundenstamm kümmern, der recht anspruchsvolle Vorstellungen hat und gern Hilfe bei der Auswahl der passenden Lektüre möchte. Hinzu kommt noch, dass die verschiedenen Kommunikationswege wie Telefon, E-Mail, WhatsApp und manchmal auch das gute alte Fax Bestellungen und Kundenanfragen im Minutentakt produzieren, so dass die eigentlichen Aufgaben in einer geringeren Zeitspanne zu erledigen sind. Büchergeschäfte werden in wenigen Jahren zudem nicht unbedingt von Buchhändlern bzw. Buchwissenschaftlern geführt werden, sondern von Einzelhändlern, die nicht die entsprechende Ausbildung zu dem besonderen Produkt Buch genossen haben, aber dafür wesentlich günstiger entlohnt werden können. Und der Kostenfaktor hinsichtlich der Entlohnung von gelernten wie ungelernten Mitarbeiten lässt Arbeitgeber von Buchläden sorgenvoll in die Zukunft blicken, um gerade hier nicht nur einmal den Rotstift für Einsparungen anzusetzen.

 

In letzter Zeit hört man oft, dass zahlreiche große bekannte und alteingesessene Buchhandlungen schließen. Und einer der Gründe ist: Nachfolger für Buchläden fehlen nicht nur in großen Städten, sondern auch in kleinen Ortschaften, obwohl der Branchennachwuchs vorhanden ist. Die Chance eine Buchhandlung weiterzuführen, scheitert an vielen Hürden, wovon die fast nicht vorhandene Werbung zu „Wir suchen einen Nachfolger!“ am deutlichsten wahrzunehmen ist. Doch wer schon ein buchwissenschaftliches Studium in der Tasche hat, muss oftmals noch eine Buchhändlerausbildung absolvieren oder umgekehrt nach der Ausbildung zusätzlich studieren. Das sind über 6 Jahre bevor man richtig anfangen darf im Buchhandel zu arbeiten. Der Branchennachwuchs aus den fünf großen deutschen Ausbildungsstätten hat also schon jetzt das Nachsehen mit der wissenschaftlichen anstatt der berufsnahen Ausrichtung und stößt vermutlich noch auf andere Hindernisse. Ähnliche Entwicklungen mit Nachfolgeproblemen finden sich seit einigen Jahren bei den Verlagen, bei denen feste Anstellungen aus finanziellen Gründen Mangelware sind und günstige Volontariate bevorzugt werden.

 

Ein anderer Aspekt, der weitreichende Folgen hat, hängt mit dem Wettstreit der Buchbranchenteilnehmer untereinander zusammen. Die wenigen Umsätze im Buchsegment sollen um jeden Preis gehalten werden. Aber wer in der Buchbranche noch klein ist und bei den Buchhandlungen, vor allem den großen Marktteilnehmern, Werbung für sich machen möchte, wird oft abgewiesen. Thalia, Schmid & Hahn und andere möchten von Autoren oder anderen Buchbranchenmitgliedern keine Werbung im eigenen Haus auslegen. Nur die firmeneigenen Werbemittel sind erlaubt. Das ist sehr schade, denn auch über dieses Beispiel mit Konkurrenzdenken wirft die Buchbranche ein schlechtes Licht auf sich selbst und ihre Botschaft, dass ihre wichtigsten Aufgaben Leseförderung, Literaturvermittlung, Bibliophilie und Leidenschaft für ein geschichtsträchtiges Medium sind.

 

Vor nicht allzu langer Zeit, meinte eine Buchhändlerin im Hinblick auf die schwindenden Einnahmen in der Buchbranche zu mir: ‚Du wirst es nicht glauben, was die Verlage alles tun, um Geld einzusparen!‘ Ja, mir ist es aufgefallen und zwar an folgenden Beispielen. Der Bezug von Leseexemplaren über die Buchmessen ist seit mehr als zwei Jahren nur noch vereinzelt möglich. Auch werbende Give-aways, wie Süßigkeiten, Schreiber, Buttons, Karten, Lesezeichen oder andere Werbehelfer, werden nur in einer gewissen Menge gezielt zu besonderen Anlässen ausgelegt und verteilt. Kleine Verlage scheuen es zudem immer häufiger aufgrund der Kosten, sich auf Messen zu präsentieren. Bücher werden von großen, mittleren sowie kleinen Verlagsunternehmen im Ausland bei deutlich günstigeren Druckereien vervielfältigt. Und Preise zu Buchproduktionen können bei Auftraggebern immer schwieriger durchgesetzt werden, wodurch oftmals die Qualität leidet. Die Liste dieser Entwicklungen lässt sich recht lang weiterführen.

 

Die letzte GFK-Studie Mitte 2018, die vom Börsenverein in Auftrag gegeben wurde, hat die Buchbranche zwar zum Nachdenken angeregt, aber die Lösungsvorschläge für den Aufschwung in Bezug auf das Buch sind mehr als bedenklich: Bücher sollen direkt zum Kunden gelangen und im Fitnessbereich vertrieben werden. Der erste Punkt wird schon seit vielen Jahren umgesetzt und der zweite Aspekt beschreibt einen Griff nach einer neuen Zielgruppe, die allerdings keine Zeit beim Sport fürs Lesen hat! Die Buchbranche macht sich hierdurch unglaubwürdig. Dies ist keine Strategie um Kunden zu halten oder neue zu gewinnen! Denn diese kaufen aus verschiedenen Beweggründen nicht bei ein und demselben Händler auf Dauer ein. Potentielle Buchkäufer sind wählerisch, ändern ihre Bedürfnisse und ihre Vorlieben in bestimmten zeitlichen Abständen, genauso wie Interessen sich nach einigen Monaten oder Jahren verschieben können, aufgegeben werden oder dazukommen.

 

Aber das Gejammer um die Tatsache, man hätte als Buchbranche den digitalen Wandel verschlafen oder sogar verpasst und müsse ihm nun mit großen Schritten hinterherlaufen, lässt mich auch immer wieder den Kopf schütteln. Sicherlich befindet sich jede Branche in dieser digitalen Entwicklung, doch das heißt nicht, dass man den Kopf hängen lassen sollte! Oder sich immer noch mit Händen und Füßen dagegen zu stemmen. Und die derzeitigen Umbrüche nicht zu akzeptieren, heißt vor allem, sie nicht wahrhaben zu wollen. Wer sich in der Geschichte des Lesens auskennt, der weiß, dass in der 1. Leserevolution zahlreiche literarische Verfechter für die intensive Lektüre waren und sich deutlich gegen das extensive Lesen ausgesprochen haben. In der 2. Leserevolution dagegen kritisierte man die massenhafte Produktion des Mediums Buch in seinen verschiedensten Ausprägungen. Noch vor rund 25 Jahren schimpfte man genauso über die modernen technischen Medien wie Radiohörspiel, Fernsehen und dem Verdrängen von Schallplatte, Musikkassette und des Aufkommens des geringeren Lesekonsums. Wie heute in einer Phase des überwiegend stichpunktartigen Lesens zur Informationsaufnahme, dem Lesen 2.0 mit dem eBook und der geradezu süchtigen Nutzung mobiler Endgeräte, geht die Diskussion weiter! Das muss doch nicht sein. Durch die Verlagerung des Leseverhaltens aufgrund der neuen verschiedenen elektronischen Medien, befinden wir uns derzeit auch in einer/der 3. Leserevolution. Dabei steht fest: Die Geschichte des Lesens wird in Zukunft mit der Digitalisierung eng in Zusammenhang stehen.

 

Es ist derzeit zwar alles in Veränderung begriffen, dich meine Meinung ist und bleibt: Wer keine Werbung macht, wird auch nicht bekannt bzw. den kennt keiner! Aber diese sollte nicht nur in Form der Frühjahrs- und Herbstkataloge zu den Buchhändlern gelangen, sondern eher zu den Endkunden, die die Bücher schließlich kaufen, konsumieren, verschenken und weiterempfehlen! Diese sind die Buchkäufer, die die Umsätze bescheren. Das sollte die Buchbranche doch eigentlich besser wissen, denn sie hat schon lange das Werkzeug, wie sie sich selbst aus der Misere befreien kann, in der eigenen Hand! Doch sie macht sich selbst kaputt. So viel hat sich zu früher nicht unbedingt verändert. Alte Marketingstrategien lassen sich mit etwas Umdenken auch auf neue Werbeträger übertragen. Meine Beobachtungen hierzu sind:

 

  • Frauen sind das kaufstärkste Geschlecht in zahlreichen Branchen;
  • junge Käuferschichten lassen sich über viele verschiedene Medien am Besten erreichen, genauso wie ältere Käuferschichten;
  • Out-of-home-Werbung vor allem in digitaler Form erreicht bei entsprechender Vernetzung und App-Angeboten die Handynutzer und
  • große Buchbranchenplayer leben und kleine Buchbranchenteilnehmer leben lassen, indem sie sich gegenseitig helfen, sich untereinander vernetzen und gemeinsam Werbung für alle Zielgruppen betreiben

 

denn das Buch ist das „einzige Medium“, dass bei Kindern von einigen Monaten bis hin zum Rentner im hohen Alter ohne weitere technische Hilfsmittel genutzt werden kann! Wichtigster Auftrag ist hierbei, Literatur für die Nachwelt zu erhalten, das Interesse und die Leidenschaft fürs Lesen zu wecken und auch zu erhalten. Dies verschwindet bei den Buchbranchenteilnehmern angesichts der zunehmenden Wichtigkeit wie ein klassisches Wirtschaftsunternehmen Umsätze zu generieren hat!

 

Werbung geht auch anders! Denn es gibt sie noch! Die klassische Buchwerbung!

 

Juhuu! Es gibt sie noch die Verlagswerbung auf Litfaßsäulen! Ausfindig gemacht habe ich sie in der Nürnberger Altstadt. Ich war mehr als begeistert, solch tolle Plakatwerbung zu sehen. Ganz euphorisch bin ich in der letzten Septemberwoche 2018 nicht nur einmal, sondern mehrmals zur Buchwerbung gepilgert, die mit Autorenbild und großem Buchcover zu „Der Spielmann“ von Oliver Pötzsch auf der Säule in der Nähe des Bahnhofs prangte! Mir hat sie außerordentlich gut gefallen und ich werde dieses Buch nicht nur weiterempfehlen, sondern es auch gleichzeitig noch verschenken! Ein großes Dankeschön an den Verlag, der es sich immer noch traut Werbung auf der Straße zu machen!